arbeitswelt - sachsenheim 2021
Breuninger SAX
Manchmal ist ein Zirkus nicht nur ein Zirkus. Manchmal ist er mehr als das, mehr als eine Manege, als Wagen, ein Zelt und eine Truppe Artisten. Er kann Kulisse sein, Spiegel oder Inspiration – wie im Logistikzentrum von Breuninger in Sachsenheim. Dort ist der Zirkus all das zugleich. Und noch viel mehr: Innenarchitektur, Kreativmotor, Arbeitswelt, und zwar für die Abteilung Content Production eines der führenden Modeeinzelhändler Deutschlands.
Wer die 4500 Quadratmeter große Arbeitswelt des Unternehmensbereichs betritt, wird sofort hineingesogen in die bunte, wirbelnde, schräge und im wahrsten Wortsinn ver-rückte Welt dieses Modezirkus. Der hier noch fantastischer wirkt, weil das Draußen eine Art abstrakter Ort ist, ein in sich geschlossener Bau, der weitab vom urbanen Lifestyle in einem Industriegebiet am Stadtrand liegt. Aus Sicherheitsgründen geht es unterirdisch hinein ins Gebäude – und dort wartet, auf der Etage angekommen, buchstäblich eine Explosion fürs Auge: eine große geschwungene Sitztreppe in reinstem Weiß, dahinter eine metallen gleißende, in Wellen gelegte Wand, eine strahlenförmig auseinanderstrebende rote Bodengrafik, die den Betrachter dynamisch in den Raum hineinzieht. Erst der Bildschirm auf dem rot-weißen Ball, der sich auch auf der Nase einer dressierten Robbe drehen könnte, beweist, dass hier gearbeitet wird: Auf dem Monitor wird angezeigt, wo für wen welches Foto-Shooting stattfindet.
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Wer die 4500 Quadratmeter große Arbeitswelt des Unternehmensbereichs betritt, wird sofort hineingesogen in die bunte, wirbelnde, schräge und im wahrsten Wortsinn ver-rückte Welt dieses Modezirkus. Der hier noch fantastischer wirkt, weil das Draußen eine Art abstrakter Ort ist, ein in sich geschlossener Bau, der weitab vom urbanen Lifestyle in einem Industriegebiet am Stadtrand liegt. Aus Sicherheitsgründen geht es unterirdisch hinein ins Gebäude – und dort wartet, auf der Etage angekommen, buchstäblich eine Explosion fürs Auge: eine große geschwungene Sitztreppe in reinstem Weiß, dahinter eine metallen gleißende, in Wellen gelegte Wand, eine strahlenförmig auseinanderstrebende rote Bodengrafik, die den Betrachter dynamisch in den Raum hineinzieht. Erst der Bildschirm auf dem rot-weißen Ball, der sich auch auf der Nase einer dressierten Robbe drehen könnte, beweist, dass hier gearbeitet wird: Auf dem Monitor wird angezeigt, wo für wen welches Foto-Shooting stattfindet.
Denn dieser Zirkus ist die kreative Heimat einer Abteilung, die für die Inszenierung der Mode im Breuninger-Onlineshop sorgt. Was später im Web angeboten wird, soll hier das richtige Image bekommen. Bei der Content Production herrscht ein einziges Kommen und Gehen, von Fotografen, Models, Textern, Stylisten, von Kleidung auf Bügeln und Stangen, von Sneakers, Anzügen, Jacken, Kleidern, T-Shirts. Es wird gebügelt und gefaltet, vermessen und erfasst, fotografiert und getextet. Alles wirbelt umeinander herum, allerdings nur scheinbar planlos. Das Chaos hat System, ist ein gut funktionierender Ameisenhaufen, der auf festgelegten Bahnen läuft, auf denen die Modestücke ihren Weg vom Wareneingang über die Aufbereitung und das Shooting bis hin zum Auftritt im Onlineshop nehmen. Jung sind die Macherinnen und Macher hier, fasziniert von Mode und der Chance, sie ins perfekte (Glamour-)Licht zu rücken.
Sie alle sind Teil des Modezirkus – und da ist sie wieder, die Assoziation, die auch der Gestaltung der Innenarchitektur zugrunde lag. Weil der Arbeitsalltag bei der Content Production wie eine nie endende Fashion-Show wirkt, das Ensemble aus Kleidungen auf Stangen und Ständern wie der Backstage-Bereich hinterm Laufsteg, liegt das Bild vom Zirkus nah. Erdacht und kreiert wurde die Arbeitswelt vom Studio Alexander Fehre ganz bewusst als konzeptioneller Gegenentwurf zu den sonst üblichen Arbeitsumgebungen. Provokant sollte dieser Entwurf werden, eine Mischung aus Avantgarde und kreativer Spielerei, ganz so, wie sich die Mode eben auch auf den Catwalks dieser Welt präsentiert. Doch die Zirkusidee entstand nicht um ihrer selbst willen, sondern aus der von Breuninger gestellten Aufgabe heraus. Und die lautete, den jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowohl Wertschätzung als auch eine Identifikationsfläche innerhalb des Unternehmens zu vermitteln. Und natürlich: eine kreative Spielwiese zur Verfügung zu stellen. Den Innenarchitekten war klar, dass sie mit ihrer zugespitzten Gestaltung auf einem schmalen Grat wandeln würden – aber machen das Trapezkünstler nicht auch?
Genau dieses Augenzwinkern spiegelt sich auch in den einzelnen Bereichen der Arbeitswelt wider. Die Leuchten in der zentralen Teeküche wirken wie Teller aus einer Jongliernummer, während der lange Tisch selbst zu einer Parade runder Platten verschmilzt. Ein rundes Sofa, bewusst unruhig durch schillernden Samtbezug, als zentraler Treffpunkt, eine Besprechungs-Ecke hinter Gitterelementen, in der die Sitzelemente wie unruhige Ponys auf ihren Auftritt warten, Whiteboards als Glücksräder oder reifenartig wie beim Raubtierdompteur – das Thema wird vielfältig variiert. Während in einem der offenen Konferenzbereich Sitzbälle unter einer Zirkuskuppel auf konzentrischen Kreisen um einen runden Tisch zu wirbeln scheinen, warten die Kleider auf ihren Stangen wie Zuschauer vorm Einlass.
Die Kombination aus Kreativspielwiese und hochfunktionellen (Büro-)Bereichen bietet größtmögliche Flexibilität. Während eigentlich die Fotoboxen für die Shootings vorgesehen sind, lässt sich auch die gesamte Arbeitswelt – nicht zuletzt wegen der gewählten Materialien wie etwa Spiegelfolien, Wellprofile, Maschendraht, PVC, Estrichfarbe – in Fotoproduktionen einbinden. Auch das ist ganz im Sinne der Arbeitsweise von Studio Alexander Fehre. Die Stuttgarter Kreativköpfe arbeiten sehr individuell, ganz der Aufgabe, dem Budget und Projektziel entsprechend. Wichtig ist ihnen, sich auf die Sichtweise des Bauherren einzulassen – seine Wünsche sind es, die am Ende stringent beantwortet und erfüllt werden sollen. Wie in diesem Fall: der jungen Mitarbeitertruppe zu zeigen, wie sehr sie vom Unternehmen geschätzt wird. Die Identifikation kommt dann von ganz allein. Zusammen mit den Ideen, die unterm Zirkusdach herumwirbeln.
Typus
Arbeitswelt
team
Calina Hohberg, Rita Enns, Inna Strokous Lena Riexinger, Alexander Fehre
ORT/JAHR
Sachsenheim/Deutschland/2021
GRÖSSE
4500 m²